Wie stehen die wahlwerbenden Parteien zum bedingungslosen Grundeinkommen?

Am 29. September 2024 findet in Österreich die Nationalratswahl statt. Neun Parteien werden österreichweit am Stimmzettel stehen, nur zwei davon stehen einem Grundeinkommen positiv gegenüber, die anderen sieben schwelgen zwischen Leistungsfantasien und paternalistischen Gesellschaftsbildern. Wie die Parteien ihre Haltung zum BGE begründen, haben wir für euch zusammengefasst.


Um die verschiedenen Positionen der österreichweit kandidierenden Parteien mit den eigenen Ansichten zu vergleichen, ist das Online-Tool „Wahlkabine“ hilfreich. Man klickt sich durch 25 aktuelle Fragen, die auch den Parteien im Vorfeld gestellt wurden, und am Ende erhält man ein übersichtliches Ergebnis, mit welchen Parteien die größten und kleinsten Übereinstimmungen bestehen. Heuer – zur Nationalratswahl 2024 – ist auch eine Frage zum Grundeinkommen dabei.


Soll statt der Mindestsicherung ein bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt werden?

Es ist gut, dass das BGE als wichtiges Thema im Wahlkampf aufgegriffen wird, jedoch ist die Formulierung der Frage nicht ganz schlüssig, denn ein bedingungsloses Grundeinkommen ist per Definition nicht an Bedingungen geknüpft, sondern für alle Menschen gleichermaßen gedacht – im Gegensatz dazu müssen für den Erhalt der Mindestsicherung zahlreiche Bedingungen erfüllt und mit entsprechenden Unterlagen nachgewiesen werden. Ein BGE kann daher kein Ersatz für eine Mindestsicherung sein, wie die Frage aber impliziert. Klarer wäre es daher gewesen, nur danach zu fragen, ob ein bedingungsloses Grundeinkommen in Österreich eingeführt werden soll und die Frage nicht mit dem völlig anderen Konzept der Mindestsicherung zu verknüpfen.

Ein Überblick zeigt die Antworten der Parteien, die Wichtigkeit, die sie einer Frage zuweisen und ein Kommentar, warum sie die Frage mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet haben. Nur zwei Parteien sagen „Ja“, schicken jedoch gleichzeitig ein „aber“ hinterher. Die anderen sieben argumentieren ihr „Nein“ mit Leistungsfantasien oder paternalistischen Vorstellungen zur Armutsbekämpfung. Verteilungsgerechtigkeit, Emanzipation oder Selbstbestimmung spielen scheinbar für keine der Parteien eine Rolle.

Die beiden Kleinparteien „Der Wandel“ (tritt diesmal unter der Kurzbezeichnung KEINE an) und die KPÖ sprechen sich für ein bedingungsloses Grundeinkommen aus, wobei die Frage für KEINE eine hohe, für die KPÖ nur eine geringe Relevanz hat. KEINE fordert eine Höhe des Grundeinkommens, die ein gutes Leben ermöglicht und betont, dass ein BGE eine große Veränderung sei und daher langfristig als „Generationenprojekt“ gedacht werden müsse. Für die KPÖ könnte ein BGE „ein hilfreicher Beitrag zur Existenzsicherung“ sein, das Ziel sei es jedoch, alle „Daseinsbereiche“ abzusichern, was „weit über eine Sicherheit durch Geld“ hinausreiche.

Die erst im Mai 2024 gegründete LMP (Liste Madeleine Petrovic) beantwortet die Frage mit „Nein“, da sie daran zweifelt, dass die Bedingungslosigkeit sichergestellt werden könne, jedoch stehe sie „einem wirklich bedingungslosen Grundeinkommen offen gegenüber“. Im Gegensatz dazu wollen die Grünen keine Bedingungslosigkeit, da sie ein „Grundeinkommen auch für Millionär:innen“ ablehnen. Sie befürworten hingegen eine Grundsicherung, diese solle mit begleitender Beratung Menschen in Krisen helfen.

Obwohl die SPÖ sich in ihren internen Arbeitsgruppen und Positionspapieren durchaus positiv zum bedingungslosen Grundeinkommen äußert und auch öffentlich eine „Kindergrundsicherung“ fordert, antwortet sie hier mit „Nein“ und hält weiterhin an einer „bedarfsorientierten Mindestsicherung“ fest. Sie betont, dass diese ein „tatsächliches Auffangnetz“ darstellen und die Armutsbekämpfung in den Vordergrund stellen müsse. Die Bierpartei plädiert ebenfalls für die Mindestsicherung, fordert aber eine Vereinheitlichung in ganz Österreich in existenzsichernder Höhe.

Die NEOS werden ihrem Namen gerecht und lehnen sowohl Mindestsicherung als auch ein bedingungsloses Grundeinkommen ab. Sie fordern ein „(nicht bedingungsloses) liberales Bürgergeld“ für Hilfsbedürftige, das in Form einer „negativen Einkommenssteuer“ jegliche Sozialhilfe ersetzen und durch Zuverdienstgrenzen „den Anreiz einer Arbeitsaufnahme“ schaffen soll.

Ein klares „Nein“ gibt es von ÖVP und FPÖ, beide Parteien positionieren sich als Vertreter der Leistungserbringer, was im Endeffekt bedeutet, dass sie erstens alle, die keine (von ihnen definierte) Leistung erbringen, nicht unterstützen wollen und zweitens negieren, dass Armut systemimmanent ist. Die Fantasie, dass man es durch Erwerbsarbeit zu etwas bringen kann, kommunizieren die beiden Parteien immer wieder. Dass gerade jene, die zu den Überreichen gehören, eigentlich keinerlei Arbeitsleistung erbringen, sondern nur von (vorwiegend geerbten) Vermögen und dessen Zinsen und Zinseszinsen leben und anstatt zum Wohl der Gesellschaft beizutragen, eher deren Ausbeutung forcieren, wird mit keinem Wort erwähnt. Die ÖVP behauptet vielmehr „Fakt ist: Unser Wohlstand und unser Sozialsystem beruht [sic.] auf den arbeitenden Menschen, die zur Finanzierung des Systems beitragen.“ Damit bestätigen sie eigentlich, dass das System auf der Ausbeutung der Arbeitenden beruht und dass sie nicht gewillt sind, dieses System zu verändern. Die FPÖ bemüht den Begriff der „Leistungsgesellschaft“, zu der sie sich bekennt und fordert daher auch Beschränkungen der Mindestsicherung auf „besondere Situationen und Zeiträume“.

Zusammenfassend lässt sich ein eher ernüchterndes Ergebnis festhalten: Egal ob sich die Parteien für oder gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen aussprechen, gemeinsam ist allen, dass sie weder das aktuell vorherrschende neoliberale Gesellschaftssystem, in dem jede:r (vermeintlich) des eigenen Glückes Schmied ist, infrage stellen noch Vorschläge für Verteilungsgerechtigkeit und eine solidarische Gesellschaft mit einer Existenzsicherung für alle in Erwägung ziehen. Während die im rechten Spektrum angesiedelten Parteien den Menschen Faulheit und mangelnden Arbeitswillen unterstellen und deshalb die Schuld für Armut bei den Betroffenen selbst unterstellen, sehen die im linken Spektrum angesiedelten Parteien zwar ein, dass Menschen an der Leistungsgesellschaft leiden und/oder scheitern und sehen auch die Verantwortung der Gesellschaft, diesen Menschen zu helfen. Die Hilfsangebote gestalten sich jedoch paternalistisch – nicht die Betroffenen entscheiden selbst, wie sie ihr Leben gestalten wollen, sondern jene, die ihnen die Hilfsangebote zukommen lassen.

Der Weg zu einer solidarischen Gesellschaft mit einer gerechten Verteilung von Ressourcen und Möglichkeiten und einem emanzipatorischen, bedingungslosen Grundeinkommen für alle ist also noch ein weiter.

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